I. Das Grubenunglück
Am 26. Juni 1924 ereignete sich in Hart, Gemeinde Enzenreith, das größte Grubenunglück
Österreichs bei dem 29 Bergleute zu Tode kamen. Viele Jahrzehnte ernährte das
Braunkohlenbergwerk in Hart zahlreiche Bergarbeiter und ihre Familien. An diesem Tag forderte es
einen hohen Preis.
Im Folgenden wird versucht, das Geschehene durch Zitate zu vermitteln.
„Heute gegen Mittag hat sich hier infolge überaus großer Gasausströmung aus einer
Verdämmung ein Grubenunglück ereignet.“ „Gute Hoffnung“ – So heißt der Schacht, in dem
sich die entsetzlichen Szenen der vergangenen Nacht abspielten. „Gute Hoffnung“…“
(Illustriertes Wiener Extrablatt vom 27. und 28. Juni 1924)
Inkompetenz, Fahrlässigkeit, Rücksichtslosigkeit durch die Grubenleitung, unzureichende
Sicherheitsmaßnahmen etc. führten zu besonders tragischen Einzelschicksalen.
„Daß die Katastrophe einen solchen Umfang annehmen konnte, verschuldet die Direktion und
die Revierinspektion von St. Pölten. Die Direktion ließ die Bereitstellung von jedweder
Rettungsmaßnahme vollkommen außer acht. Es waren insgesamt nur drei schwerbeschädigte,
ganz unbrauchbare Gasmasken vorhanden. Trotz energischem Verlangen der Betriebsräte
wurde die Schulung der Rettungsmannschaft ganz außer acht gelassen, weil das Geld gekostet
hätte.“
(Arbeiterwille vom 28. Juni 1924)
„Vom Rathaus in Gloggnitz weht die Trauerfahne. (…) Die meisten der Todesopfer haben in der
Sommerfrische Enzenreith gewohnt, wo fast kein Haus von der Katastrophe verschont blieb.“
(Wiener Morgenzeitung vom 28. Juni 1924)
Unter den Toten auch der damalige Vizebürgermeister von Enzenreith Josef Zwinz.
„Dieser Mann ist fünfmal hintereinander in den Schacht eingedrungen und hat sieben seiner
Kameraden das Leben gerettet. Als er zum sechstenmal vordrang, um sein Rettungswerk
fortzusetzen, hat er selbst den Tod gefunden.“
(Arbeiterwille vom 28. Juni 1924)
Persönliche Schilderungen dieser entsetzlichen Katastrophe berühren noch heute.
„In einem Stollen stieß ich auf einen Wagen, drinnen saß einer, den ein Kamerad fortschieben
wollte, der rettenden Luft zu. Die beiden waren erstickt.“ Und weiter „Besonders schwer wurde
die Familie Spruzina betroffen, von der der Vater und die beiden Söhne der Katastrophe zum
Opfer fielen.“
(Illustriertes Wiener Extrablatt vom 28. Juni 1924)
Am Sonntag dem 29. Juni 1924 wurden die Opfer in einem Gemeinschaftsgrab auf dem Gloggnitzer
Friedhof bestattet. Nahezu die gesamte damalige Regierungsspitz erwies den Opfern die letzte Ehre. Beim Begräbnis nahmen darüber hinaus - je nach Zeitungsbericht - ca. 30.000 bis 50.000 Menschen und mehr in Zivil und 2.000 (!) Feuerwehrmitglieder in Uniform teil. Eine logistische Meisterleistung nicht nur für diese Zeit.
„Nach Bergmannsbrauch sollten die verunglückten Bergleute um Mitternacht begraben werden.
(…) Beim Leichenbegängnis der Opfer dieser entsetzlichen Katastrophe wird man aber eine
Ausnahme machen.“
(Grazer Volksblatt vom 28. Juni 1924)
„Die verschiedenen Organisationen hatten nach einem vorzüglichen Plan, den Bürgermeister
Dittelbach in vorbildlicher Weise entworfen und restlos durchgeführt hat, in den verschiedenen
in den Marktplatz einlaufenden Straßen Aufstellung genommen, so daß die gewaltige, vier
Stunden lange, nach zehntausenden Teilnehmern zählende Trauerkundgebung ohne die
geringste Störung und ohne jeden Zwischenfall verlief.“
(Arbeiterzeitung vom 30. Juni 1924)
Dies war eine Katastrophe nicht nur für die in der Grube tätigen Männer. Es war auch eine
Katastrophe für die Frauen, die als Witwen - in sozial ohnehin bereits herausfordernden Zeiten -
plötzlich alleine vor der Aufgabe standen, für die Familie zu sorgen.
„Kommt man zu den Witwen mit den vielen Kindern, dann ist es schwer, die Fassung zu
bewahren.“
(Arbeiterzeitung vom 28. Juni 1924)
II. Die Gedenkveranstaltung
Zum Gedenken an den 100. Jahrestag wurde am Samstag dem 22. Juni 2024 um 10:30 eine
Gedenkveranstaltung beider Gemeinden in der Christkönigskirche durchgeführt.
Eine szenische Lesung mit Andreas Steppan und ein Film aus dem Jahre 1924 machten dieses tragische Ereignis nach 100 Jahren „erfühlbar“. Verlesene Grußbotschaften von Eminenz Christoph Kardinal Schönborn und des Bundespräsidenten Alexander van der Bellen würdigten die Opfer. Weitere Informationen über das Grubenunglück standen und stehen in Form einer Ausstellung in der Kirche für einige Zeit nach der Gedenkveranstaltung zur Verfügung stehen.
Moderator und Organisator Vzbgm. Mag. Johann Haiden durfte folgende Ehrengäste begrüßen:
Pfarrer Mag. Ernst Pankl
Dechant P. Josef Riegler
Pfarrer a.D. Mag. Andreas Lisson
Abgeordneten zum NÖ Landtag Hermann Hauer in Vertretung der Frau Landeshauptfrau
Landesrat Mag. Sven Hergovich
Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes Wolfgang Katzian
Abgeordneten zum NÖ Landtag Mag. Christian Samwald
Abgeordneten zum NÖ Landtag Jürgen Handler
Landesjugendreferent Wolfgang Juterschnig
Mag. Peter Zanzinger vom Amt der NÖ Landesregierung
Mag, Veronika Scherz in Vertretung der Bezirkshauptfrau
Bürgermeister Enzenreith Ing. Dirk Rath
Bürgermeister Gloggnitz Mag. Rene Blum
Bürgermeister DI Thomas Stranz in Vertretung der umgebenden Bürgermeister/-innen
Mag. Michael Wilczek und Dr. Michael Rosecker vom Renner Museum Gloggnitz
Mag. Vanessa Staudenhirz vom Stadtmuseum Neunkirchen
Dir. Walter Hummer in Vertretung der Banken und der Wirtschaft
Bürgermeister a.D. Ing. Franz Antoni, Irene Gölles und Mag. Werner Müllner
Vizebürgermeister Gloggnitz Michael Baci
Gemeinderät/-innen von Enzenreith und Gloggnitz
Peter Schissler von der Gewerkschaft Pro-Ge
Intendant Florian Krumpöck
Dipl. Ing. Dr. mont. Michael Tost
Min.-Rat i.R. Univ.-Prof. Dr. phil. Leopold Weber mit dem Montanhistorischen Verein Österreichs
Vertreter der Freiwilligen Feuerwehren und weiterer Blaulichtorganisationen
Vertreter der Pfadfinder
Stadtkapelle Gloggnitz
Vertreter der Medien
Eine Gedenkschrift anlässlich des 100. Jahrestages ist im PDF Format als Download für die private Eigennutzung verfügbar.
Bereits am Freitag 21.06.2024 wurde zum Themenschwerpunkt Braunkohlenbergwerk in Hart ab 16:00 im Gasthaus Leinfellner eine öffentliche zugängliche Fachtagung des Montanhistorischen Vereins Österreich veranstaltet.
Diese verheerende Katastrophe, das damit verbundene unendliche Leid und die Ohnmächtigkeit der Opfer und deren Angehörigen ist heute österreichweit nahezu vergessen. Mediale Berücksichtigung trägt dazu bei, diese Katastrophe wieder in die öffentliche Wahrnehmung zu bringen. Unter Zuhilfenahme der Rundfunk- und Printmedien konnte eine breite Öffentlichkeit davon informiert werden.
Neben Artikeln in der Presse, gab es dazu auch mehrere Beiträge im ORF Radio sowie einen Beitrag über die Gedenkveranstaltung in “Niederösterreich Heute” am 23.06.2024.
Bezirk Neunkirchen - Katastrophe unter Tage: Über das Grubenunglück von 1924 - NÖN.at
29 Bergmänner starben - In Hart wurde Österreichs größtem Grubenunglück gedacht - NÖN.at
Enzenreith - 29 Tote: Enzenreither Grubenunglück jährt sich zum hundertsten Mal - NÖN.at
Grubenunglück 1924: Eine Tragödie und ihre Helden - Der SONNTAG
Grubenunglück in NÖ: 29 Tote aus Profitgier und Schlamperei
Gedenken an Tragödie - Größtes Grubenunglück forderte 29 Todesopfer | krone.at